Fleece-Pullis sind warm. Und aus Plastik.

Eine meiner Lieblings-Winterjacken ist aus Fleece. Leider ist das nicht gut. Das habe ich festgestellt, als ich vor einiger Zeit meinen Plastik-Vortrag erneuert habe, den ich auf Expeditionsschiffen halte. Dabei wurde mir auch wieder einmal klar, wie unbewusst wir oft zur Verschmutzung und Vergiftung unserer Welt beitragen. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hatte mir Material zur Verfügung gestellt, in dem unter anderem folgendes stand: Beim Waschen eines Fleece-Pullovers lösen sich etwa 1900 Fasern aus dem Pullover. Jedes Mal. Die Fasern werden mit dem Abwasser ausgespült und können von vielen Kläranlagen nicht ausgefiltert werden. So werden sie zu einem Teil des Mikroplastik-Problems. Denn diese Plastik-Partikel sind so fein, dass sie Eingang in unseren Nahrungskreislauf finden. Entweder, weil sie ein Fisch frisst, der morgen auf unserem Teller landet. Oder weil die Weichmacher ins Wasser abgegeben werden, oder beides. Es gibt viele Wege, wie Plastik zu uns zurück findet. Sicher ist dabei nur: Es kommt zurück.

Dass die Fleece-Pullover gar keine so kleine Rolle spielen, hat jetzt eine Untersuchung in Spitzbergen gezeigt.

Longyearbyen ist der Hauptort Spitzbergens, auf 78° Nord. In diesen Breiten herrscht ein harsches Klima. Deswegen ist die vorherrschende Kleidung in Longyearbyen Sportkleidung, selbst in Büros. Winddichte Fasern, Funktionsunterwäsche, Synthetik, Fleece, das ist die Kleidung, die man überall in Longyearbyen sieht. Alles andere ist zu kalt oder unpraktisch.

LongyearbyenDer Svalbardposten, die Zeitung Longyearbyens, hat nun in der vergangenen Woche berichtet, welche Auswirkung das Waschen dieser Kleidung hat: Zwei Wissenschaftler, Dorte Herzke vom Norwegischen Institut für Luftuntersuchungen (NILU) und Jan H. Sundet, Ozeanograph am Norwegischen Institut für Meeresforschung (IMR) haben Emissionen und Proben vom Meeresgrund in Longyearbyen und im Adventfjord untersucht. Dort liegt Longyearbyen, mit seinen etwa 2000 Einwohnern.

Ergebnis: Obwohl Longyearbyen so weit  abseits der Zivilisationszentren liegt, schaffen wir es auch dort, das Meer zu verunreinigen. Das Abwasser Longyearbyens enthält große Mengen an Mikroplastik und der größte Teil davon stammt von Outdoorkleidung. „Wir finden vor allem faserartige Plastikpartikel unterschiedlicher Art und Farben“, sagt Sundet. Laut den Wissenschaftlern gelangen jeden Tag mehr als 100 Millionen Partikel in den Fjord von Longyearbyen. Haushalte in Spitzbergen und überall in der Arktis tragen also zum Problem der Plastikverschmutzung der Meere bei, fährt Sundet im Svalbardposten fort, und vielleicht in einem größeren Ausmaß als bisher angenommen. Die vom Svalbard Environmental Protection Fund finanzierten Untersuchungen haben im Sommer 2015 begonnen und sind noch nicht abgeschlossen. Ziel ist, die Menge von Mikroplastik zu bestimmen, die durch die menschliche Präsenz in Spitzbergen in die Gewässer gelangt.

Und es ist noch viel schlimmer: Plastik allein enthält schon viele Stoffe, die man nicht im Wasser haben will. Weichmacher, viele Chemikalien. Doch leider bleibt es dabei nicht. Mikroplastik tendiert dazu, auch noch andere Schadstoffe zu absorbieren: Untersuchungen haben gezeigt, dass diese kleinen Teile wie Magnete auf Toxine wirken, die im Wasser gelöst sind. Je länger ein Plastikteil also im Wasser treibt, umso giftiger wird es. Frisst ein Fisch ein solches Stück Plastik, nimmt er einen ganzen Cocktail an Schadstoffen zu sich.

Wer also denkt, mit dem Kauf einer Fleece-Jacke, die aus PET-Flaschen gemacht ist, etwas Gutes zu tun, der irrt. In Wahrheit trägt er nur zur Verdickung der Plastiksuppe in unseren Meeren bei, wie es am 5. März auch (auf niederländisch) in der Volkskrant zu lesen war.

In der Donau übrigens schwimmen mittlerweile mehr Plastikteile – unter anderem aus Fleecepullovern –  als Fischlarven, wie man in einem Beitrag auf 3 sat sehen konnte.

Alles schlecht also? Nein. Das Schöne am Fleece-Problem: Wir können ganz leicht etwas dagegen tun.

Die Untersuchung in Spitzbergen zeigt uns wieder einmal: Wir halten uns für naturverbundene Menschen, sind gerne draußen, wir lieben die Berge, den Schnee, die klare Luft. Gerade in Spitzbergen dürfte die Ansammlung von Menschen, die so denken, besonders groß sein. Und je mehr wir draußen sein wollen, umso besser muss unsere Kleidung sein. Und umso mehr Gifte produzieren wir. Und das ist, wenn wir mal ehrlich sind, oft unnötig. Wer kennt nicht diesen unwiderstehlichen Kaufreflex in Outdoorläden? Wer hat nicht eigentlich viel zu viele Sportklamotten zuhause? Und wer möchte trotzdem nicht vielleicht dann doch noch dieses eine, neue Teil, und dann noch neue Ski, und dann noch… jedes Jahr wieder?

SchafWenn wir die Natur so lieben, dann müssen wir härter zu uns sein, nicht nur draußen am Berg, sondern auch drinnen im Laden. Wir sollten uns vor jeder Neuanschaffung fragen, ob es das wirklich braucht, schon wieder eine neue Jacke. Noch eine dritte Hose, für den noch nicht perfekt abgedeckten Temperaturbereich von plus 5 bis plus 10 Grad, weil Hose 1 nur für unter Null und Hose 2 eher für Frühling ist. Brauchen wir das wirklich?

Und wenn wir schon nicht weniger kaufen wollen, dann vielleicht wenigstens etwas anderes: Ich habe mich von Fleece verabschiedet. Man kann Fleece und Synthetik-Unterwäsche ganz einfach durch Merinowolle ersetzen, im Winter wie im Sommer. Selbst bei meiner Grönland-Durchquerung war nur noch die äußere, winddichte Schicht aus Plastik. Irgendwann gibt es dafür hoffentlich auch etwas besseres.

Das Mikrofaser-Problem zu lösen und die giftigen Klamotten durch andere zu ersetzen, ist also gar nicht so schwer. Und das Beste für alle Outdoor-Shoppingjunkies: Es beginnt mit Einkaufen!