Zweieinhalb Jahre Arbeit, drei Reisen, viele Gespräche – und jetzt ist es da, mein neues Buch „Heute gehen wir Wale fangen…“ Darin erzählen mir Ostgrönländer, wie es sich an diesem kalten Ende der Welt lebt, zwischen Tradition und Moderne. Insgesamt drei Monate war ich dafür in Ostgrönland unterwegs. Ich habe Lustiges erlebt und Trauriges und genau so habe ich es auch aufgeschrieben.
Der beste Moment am Bücherschreiben ist eindeutig der, in dem das fertige Buch vor einem auf dem Tisch liegt. Wenn alles das, was man so lange im Kopf mit sich herum trug, gedruckt vor einem liegt, wenn man es anschauen und anfassen kann. Und dann wird es spannend – was geschieht jetzt damit, will irgendjemand das Buch lesen, wird es gekauft, wird es Interesse finden? Doppelt spannend sind diese Fragen, wenn man sehr viel investiert hat in ein Buch, wenn man gereist und wieder heim gekehrt ist, wenn man noch ein zweites und drittes Mal losgezogen ist, weil noch immer so viele Fragen offen waren. Ab dem Moment, in dem ein Buch draußen ist, hat man nicht mehr in der Hand, was passiert, dann gehört einem das Buch nicht mehr, wenn es das jemals hat.
Anfang November haben wir „Heute gehen wir Wale fangen …“ vorgestellt, in der Münchner Globetrotter-Filiale, moderiert von Achim Zons. Ein schöner Abend!
Ein zweiter Abend im Café der Whisky-Destillerie Slyrs in Schliersee folgte, und eine Lesung bei der Herbstlese in Erfurt, vor mehr als 300 Zuhörern.
Ich wünsche dem Buch viele Leser, nicht, weil es mein Buch ist, sondern weil es das Buch all derer ist, die darin vorkommen. Es ist das Buch von Caroline, die aus Isortoq kommt und all ihre Jugendfreunde verloren hat. Es ist das Buch von Harald, der in einem Erdhaus in einem heute verlassenen Dorf geboren wurde, dessen Töchter heute aber alle einen Universitätsabschluss haben. Es ist das Buch von Erik, dem Polizisten, der weinte, als er aus Tasiilaq nach Dänemark zurück reisen musste, das Buch von Gerda, die einmal Gerd hieß und in Tasiilaq einen Buchladen eröffnete, wie er sonst nur in einem Buch vorkommt. Es ist Massantis Buch, Sohn eines Jägers, der zwischen Dänemark und Tasiilaq lebt und verzweifelt nach einem Zuhause sucht, es ist Vanillas Buch, die einen Westgrönländer geheiratet hat und in Tasiilaq in der Schule viel glücklicher ist als als Lehrerin in Dänemark. Es ist Emanuels und Charlottes Buch, die uns wunderbare Tage bei sich verleben ließen, und auch nicht böse waren, als wir die große Portion Walhaut nicht aufessen konnten.
All diese Menschen und noch mehr haben mir in sehr vertrauensvollen Gesprächen geschildert, was sie bewegt, wie sie leben, an diesem kalten Ende der Welt, das eigentlich gar nicht so weit weg ist von uns und eigentlich aber doch. Sie haben mir wunderbare Gedanken und Geschichten erzählt, und ich habe sie aufgeschrieben.
So hat sich im Verlauf von drei Reisen ein Bild ergeben, das sehr facettenreich ist, ein Bild, in dem es um Wal- und Robbenjagd, um Werte, Moderne, Traditionen geht, in dem es eigentlich ums große Ganze und nicht „nur“ um Grönland geht, und viele der Grönländer haben mich immer wieder zum Nachdenken gebracht, mir einen Spiegel vorgehalten.
Ich habe kein Naturvolk gefunden in Grönland, ich kann das Jägerleben nicht romantisch finden und auch nicht das Leben in den kleinen Holzhütten in gottverlassenen Dörfern. Und trotzdem habe ich viel gelernt in Grönland, nicht weil die Grönländer ein weises Urvolk sind, sondern weil sie ganz einfach Menschen sind, die eine andere Perspektive aufs Leben haben als wir Europäer.
Es waren spannende Reisen, auf denen ich wenig plante, auf denen aber viel passierte. Und alles habe ich aufgeschrieben, nicht romantisch, dafür ehrlich, so, wie es war.